„Symptome und Klassifikation der Myositis-Syndrome“.
Zu diesem Thema referierte Prof. Jens Schmidt, Oberarzt der Neurologie von der Universitätsmedizin Göttingen, in einem herausragenden, mit Neuigkeiten versehenen Vortrag und gab eine Übersicht über die verschiedenen Formen der Myositis.
Klassifikation und Übersicht der Myositis-Formen
Prof. Schmidt zeigte auf, dass es sich bei einer Myositis um eine Multi-Organ-Erkrankung handelt, die neben den Muskeln u.a. auch Organe, Haut, Gefäße und Gelenke betreffen kann. Bei Beteiligung der Lunge liegt die Sterblichkeitsrate doppelt so hoch, wie bei der Normalbevölkerung. Das haben neuste Studien ergeben. Es folgte ein kurzer Einblick in den Pathomechanismus bei Myositis. Dieser stellt die Kausalkette dar, die aufzeigt, was in den Zellen dazu führt, dass eine Myositis entstehen kann. Weitere Erkenntnisse zeigen, dass es eine genetische Prädisposition (ausgeprägte Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten) für Myositis gibt. Das humane Leukozytenantigen (HLA) HLA-AH.8.1 ist der Hauptrisikofaktor für Myositis und hat die stärkste Assoziation mit allen Myositiden.
Im Anschluss wurden die verschiedenen Formen der Myositis, wie Dermatomyositis (DM), Overlap-Myositis (OM), Anti-Synthetase Syndrom (ASS), Nekrotisierende Myopathie (NM), Einschlusskörpermyositis (IBM) und Polymyositis (PM) ausführlich dargestellt.
Von einer Dermatomyositis sind in der Regel mehr Frauen als Männer betroffen. Die Hauptsymptome beinhalten Erythem und Dermatitis, proximale Paresen und eine Erhöhung des Creatin-Kinase Wertes (CK) um das 10 – 50fache. Eine Assoziation mit Tumoren ist häufig.
Das Anti-Synthetase-Syndrom und die Overlap-Myositis zeigen ebenfalls proximale Paresen und eine CK-Wert Erhöhung um das 10-50fache. Weitere Symptome können sich durch eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD), Mechaniker-Hände, das Raynaud-Phänomen oder eine Polyarthritis äußern. Bei der OM sind Assoziationen mit einer Sklerodermie, Lupus oder anderen Erkrankungen möglich.
Die NM ist klinisch gleichzusetzen mit der PM, betrifft Männer und Frauen gleichermaßen und auch hier gehören proximale Paresen zu den Hauptsymptomen und eine Erhöhung des CK-Wertes um das 10-50fache ist möglich. Eine Assoziation mit Tumoren ist gegeben.
Eine IBM betrifft mehr Männer. Die Erkrankten sind in der Regel älter als 50 Jahre. Proximale und distale Paresen gehören zum Erscheinungsbild und zwei Drittel aller Patienten leiden an einer Schluckstörung (Dysphagie). Der Verlauf ist chronisch progredient und der CK-Wert kann um das 2-3fache erhöht sein.
Frauen sind von einer PM eher betroffen. Eine CK-Wert Erhöhung um das 10-50fache und proximale Paresen, so wie Assoziationen mit Tumoren gehören zu den Leitsymptomen. Eine PM ist sehr selten und wird oft überdiagnostiziert. Experten fordern in verschiedenen Übersichtsartikeln, dass die PM nicht mehr so genannt werden soll, aber so lange keine andere Klassifikation möglich ist, wird (zumindest in Deutschland) der Begriff der PM weiterverwendet.
Prof. Schmidt wies darauf hin, dass eine Diagnose nur nach dem Erscheinungsbild sehr schwierig zu beurteilen ist, da PM, DM, OM, und NM dem Beschwerdebild einer Gliedergürtelmuskeldystrophie ähneln. Und auch eine IBM kann im ersten Anschein nicht von einer distalen Myopathie unterschieden werden. Auch der Befund einer Myositis mittels Muskelbiopsie ist nicht immer einfach. In einem Versuch wurden 24 Biopsate an verschiedene Experten gegeben und nur in einem Fall gab es Übereinstimmungen. Nach Übersicht über histologische Merkmale von Biopsaten folgte eine Grafik mit entsprechender Zuordnung von Antikörpern (AK). Die PM ist dabei ausgenommen, da bei dieser Form keine AK vorhanden sind.
Einige dieser AK, wie der HMGCR bei nekrotisierender Myopathie oder der TIF-1γ können mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden sein. Beim Vorliegen des AK MDA5 kann evtl. eine starke Lungenbeteiligung, aber eine geringe Muskelbeteiligung vorliegen. Zum Verlauf einer NM mit dem SRP Auto-Antikörper lässt eine Studie mit 37 betroffenen Personen die Rückschlüsse zu, dass die Paresen stärker vorhanden sind, je jünger der Patient ist. Die Hälfte erreicht wieder ganze Kraft, die Krankheitsaktivität ist zumeist fortwährend. 17 Personen wurden mit Rituximab behandelt und bei 13 Personen wurde ein positiver Effekt festgestellt. Bei NM Patienten mit einem AK von SRP treten Paresen häufiger auf als bei MN Patienten mit dem HMGCR AK. Der cN1A (Mup-44) Autoantikörper ist nicht unbedingt spezifisch für Einschlusskörpermyositis, da er auch bei anderen Erkrankungen nachweisbar ist. Liegt er aber bei einer IBM vor, ist ein schwererer Verlauf, Schluckstörungen (Dysphagie) und eine höhere Mortalitätsrate wahrscheinlicher.
Diagnostik:
Zur Diagnostik sollten ein Auto-Antikörper-Panel, ein Muskel-MRT, ein EMG und eine Muskelbiopsie erfolgen. Je nach Diagnose ist im Anschluss ein Tumorscreening notwendig. Je nach AK und Symptomatik sind weitere Untersuchungen, wie z.B. ein Lungenfunktionstest, ein Herzecho, ein Herz-MRT u. ä. angeraten.
Fragen an Prof. Schmidt:
- Kann bei einer IBM die Lunge betroffen sein? Antwort: In Einzelfällen kann, bzw. einem geringen Prozentsatz ist das möglich, es gibt aber keinen Beleg und die Diagnose sollte evtl. hinterfragt werden.
- Welcher Arzt ist in Flensburg der richtige Ansprechpartner? Antwort: Die DGM hat verschiedene Unikliniken als Neuromuskuläre Zentren (NMZ) zertifiziert. Die Listen erhält man direkt über die Bundesgeschäftsstelle in Freiburg oder über die Diagnosegruppe Myositis.
- Welche Therapie kommt bei einer IBM zum Einsatz? Empfehlen Sie Immunglobuline (IG)? Antwort: Ja, alle IBM Patienten sollten eine Behandlung mit Immunglobulinen versuchen. Im Idealfall spricht man es vorher mit der Krankenkasse ab. Die Leitlinien für Myositis-Syndrome rechtfertigen eine Behandlung über sechs Monate.
- Ein AK ist positiv, aber die Muskelbiopsie kommt zu einem anderen Ergebnis. Welches Ergebnis ist nun richtig? Antwort: Es wäre wünschenswert, wenn es gelingt, beides in Übereinstimmung zu bringen, aber nicht in allen Fällen ist das zu 100% möglich. Zwischen den histologischen Ergebnissen, den Antikörpern und der Diagnostik können Diskrepanzen liegen. Dann muss es bei einer Verdachtsdiagnose bleiben bzw. müssen zwei parallele Verdachtsdiagnosen verknüpft genannt werden. Das Auto-Antikörper-Suchpanel sollte im Verlauf mindestens einmal wiederholt werden und die Biopsie (sollte sie etwas zurückliegen), sollte nach aktuellen Erkenntnissen ggf. wiederholt untersucht werden. Anschließend muss man den klinischen Verlauf beobachten und die Diagnose im Verlauf überprüfen und ggf. ändern bzw. ergänzen.
- Absage für Behandlung mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG) bei IBM. Antwort: Es gibt leider keine neuen Studien mit IVIG zur IBM. Die Leitlinien geben eine Begründung für die Therapie her. Es ist möglich, einen Antrag auf Kostenübernahme bei der KK stellen. Nach einer Zusage ist eine Behandlung prinzipiell überall (ortsnah) möglich.
- Wirken Immunglobuline besser intravenös (iv) oder subkutan (sc)? Antwort: Nach aktuellem Stand ist die Wirkpotenz bei beiden Verfahren gleich.
- Absage für Immunglobuline bei IBM mit Dysphagie Stufe 2. Antwort: Begründung an die KK, dass verschiedene Organe in Mitleidenschaft gezogen werden und es publizierte Daten gibt, die aufzeigen, dass eine IVIG Behandlung zu einer Verbesserung einer Schluckstörung bei der IBM führen kann.
- Sind Diagnosen und Forschungsergebnisse allen Ärzten zugänglich? Antwort: Jeder Arzt hat Zugang zum MYOSIITS NETZ (www.myositis-netz.de) und zu den Leitlinien (AWMF.org)
- Es gibt das IBM Register. Gibt es nur das eine? Antwort: Ja. Es ist eine Kooperation zwischen Göttingen und München. Das Register wird von den Patienten selbst gefüllt und erfüllt die Standards des internationalen Ethikvotums.
- Sollte man eine Diagnose gesichert oder nicht gesichert immer hinterfragen? Antwort: Es gibt verschiedene Kategorien, wie DM / IBM und ein Wechsel kommt in Anbetracht neuer diagnostischer Befunde mitunter vor. Bei Unklarheiten bezgl. einer Diagnose sollte im Verlauf mit dem behandelnden Arzt gesprochen werden. Je nach Einzelfall kann es sinnvoll sein, eine gestellte Diagnose im Verlauf zu überprüfen.
Bericht: Silke Schlüter