„Myositis bei System- und Tumorerkrankungen – Diagnostik und Therapiemöglichkeiten“
Unter diesem Titel hielt Dr. Peter Korsten, Oberarzt an der Klinik für Nephrologie und Rheumatologie der Universitätsmedizin Göttingen, einen ausgezeichneten Vortrag und stellte zu Beginn das Antikörperspektrum der Myositiden dar.
Dazu erörterte er die aktuelle Klassifikation der Myositiden und die Assoziation der einzelnen Antikörper. Hierbei sind aus rheumatologischer Sicht einige Antikörper von besonderer Bedeutung: Die Antisynthetase-Antikörper (Jo1, PL7, PL12 etc.) sind oft bei Myositis-Patienten vorhanden, die andere Organmanifestationen, insbesondere eine Lungenbeteiligung zeigen. Andere Antikörper, wie z. B. die TIF1γ Antikörper, zeigen eine starke Assoziation zu Tumorerkrankungen. Nach diesen sollte daher immer gesucht werden!
An einem Fallbeispiel eines Patienten mit rheumatoider Arthritis und gleichzeitig bestehendem Antisynthetase-Syndrom machte er deutlich, dass Myositiden auch in Kombination mit anderen Systemerkrankungen vorkommen können und der Verlauf besonders kompliziert sein kann.
Mittels einer Grafik stellte er den Verlauf des CK-Wertes (Creatin-Kinase) unter der medikamentösen Behandlung vor: Bei Diagnosestellung lag ein CK-Wert von 5.700 U/L vor. Die anfängliche Behandlung erfolgte mit Prednisolon (Kortison). Darunter sank der CK innerhalb von vier Wochen auf 3.000 U/L, stieg jedoch beim Versuch der Kortisonreduktion wieder auf 5.200 U/L an, so dass relativ früh eine Gabe mit Rituximab erfolgte. Rituximab ist sowohl bei der rheumatoiden Arthritis als auch für das Antisynthetase-Syndrom wirksam. Dies zeigt auch, dass die Therapien unter Berücksichtigung beider Erkrankungen ausgewählt werden müssen. Unter der Therapie sank der CK-Wert kontinuierlich ab. Auf Grund eines Rezidivs (Rückfalls) erfolgte nach 6 Monaten die erneute Gabe von Rituximab und anschließend die remissionserhaltende Therapie mit Methotrexat. Der Patient ist seither in einer anhaltenden Remission und kann ganz auf die Kortisontherapie verzichten.
An diesem Beispiel machte Dr. Korsten deutlich, dass das Zusammenspiel verschiedener Erkrankungen ein großes Problem darstellen kann. Bei Nachweis des Jo1-Antikörpers besteht oft eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD). Diagnostisch kann hier die Nagelfalzkapillarmikroskopie hilfreich sein, um herauszufinden, ob typische Veränderungen der kleinen Blutgefäße im Nagelfalzbereich vorliegen. Diese können hinweisend sein auf das Vorliegen einer Myositis. Hiervon abgegrenzt wird das so genannte „Sklerodermie-Muster“ mit erweiterten Kapillaren und Einlutungen, welches jedoch selten auch bei Patienten mit Antisynthetase-Syndrom gefunden werden kann.
Neben überlappenden Systemerkrankungen („Overlap-Syndrom“) stellte Dr. Korsten die Zusammenhänge von Myositis-Antikörpern und Tumorerkrankungen dar: Der TIF1γ-Antikörper zeigt die mitunter stärkste Assoziation zu verschiedenen Krebserkrankungen. In einer aktuellen Studie waren die häufigsten nachweisbaren Tumore in Brust, Eierstöcken oder Lymphknoten (Lymphome) zu finden. Die Tumorerkrankungen traten in den meisten Fällen drei Jahre vor bis drei Jahre nach Diagnosestellung der Myositis auf. Bei Patienten mit Erstdiagnose unter 39 Jahren traten bemerkenswerterweise keine Tumore auf.
Ein Tumorscreening sollte dennoch unabhängig vom Antikörper und Alter bei jeder neu diagnostizierten Myositis erfolgen: Zum Standard gehören ein Thorax-Röntgenbild oder Computertomogramm der Lunge, Abdomen-Ultraschall, Magen- und Darmspiegelung, bei Frauen Krebsvorsorgeunterschungen beim Gynäkologen und bei Männern eine Vorsorgeuntersuchung durch den Urologen. Bei Nachweis der Antikörper tif1γ und NXP2 empfehlen viele Experten neben den Standarduntersuchungen alle 6 bis 12 Monate ein PET-CT(spezielle CT-Untersuchung, bei der eine markierte Substanz in besonders stoffwechselaktiven Geweben nachgewiesen werden kann). Dass diese Maßnahme allerdings die Prognose verbessert, ist bis dato nicht durch Studien belegt.
Als Richtlinie zur Therapie empfiehlt Dr. Korsten:
- bei Tumor-assoziierter Myositis oder Myositis in Kombination mit anderen Autoimmunerkrankungen müssen beide Erkrankungen berücksichtigt und behandelt werden.
- Myositis-Symptome können nach Absetzen der Immunsuppression wiederkehren.
- Prednisolon, Immunglobuline und Rituximab gelten während der Tumortherapie als sicher.
- Extrapolationen aus anderen Erkrankungen legen nahe, dass Immunsuppressiva per se das Risiko, an einem Tumor zu erkranken, nicht erhöhen.
Aktuell gibt es mehrere Forschungsprojekte (spezielle Untersuchungen, Parameter etc.), die zukünftig dazu beitragen sollen, klinische Standards zu fördern und Therapien zu verbessern.
Zusammenfassend betonte Dr. Korsten dass,
- Myositis und ILD ein häufiges Problem bei Systemerkrankungen sind (z. B. bei Overlap-Syndromen, rheumatoider Arthritis oder systemischer Sklerodermie).
- ein regelmäßiges Tumorscreening bei Patienten mit hohem Risiko durchgeführt werden sollte.
- die Therapie sowohl den Tumor als auch die Myositis berücksichtigen muss.
In diesem unterhaltsamen Vortrag wurde deutlich, dass in die optimale Behandlung von Myositis-Patienten neben der Kooperation von Neurologen und Rheumatologen auch andere Fachdisziplinen einbezogen werden sollten, da zahlreiche Beeinträchtigungen innerer Organe oder gar Krebserkrankungen zusammen mit der Myositis vorkommen können.