„Reha, Schwerbehinderung, Rente…aus dem Praxisalltag der Sozialberatung der DGM“
Zu dieser Thematik hielt Frau Susann Hylla, Dipl. Sozialberaterin der DGM im Neuromuskulären Zentrum Nordwest, einen beeindruckenden Vortrag.
Zuerst berichtete Frau Hylla allgemein über die Aufgaben einer Sozialberatung sowohl in der Geschäftsstelle der DGM als auch in den Neuromuskulären Zentren. Diese kostenlose Beratung findet telefonisch und persönlich statt und steht allen Betroffenen und Angehörigen zur Verfügung. Die Berater stehen selbstverständlich unter Verschwiegenheit. Zu den Sozialberatern der NMZ führen unterschiedliche Wege: Entweder durch die Klinik, nachdem eine neuromuskuläre Erkrankung diagnostiziert wurde, auf Empfehlung von Mitgliedern aus den Selbsthilfegruppen, über behandelnde Ärzte, Therapeuten oder Bekannte oder über das Internet.
Anschließend folgten wertvolle Hinweise bezüglich Behinderung und Schwerbehinderung. Dabei ist die Definition von Behinderung gesetzlich geregelt.
Dort heißt es: Menschen sind behindert, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Einen Schwerbehindertenausweis wird nur nach Nachweis einer Behinderung vom Versorgungsamt ausgestellt. Ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 erhält man einen Ausweis mit Lichtbild. Mit einem GdB von 30 kann man einen Antrag auf Gleichstellung stellen. Damit ist man Behinderten mit einem GdB ab 50 gleichgestellt, erhält aber keinen Extra-Urlaub und keine spezielle Regelung zur Altersrente, genießt aber besonderen Kündigungsschutz. Die Antragsstellung für einen Schwerbehindertenausweis erfolgt über ein Formblatt.
> Antragsstellung und Formblatt zum Downloaden
Dieses füllt man aus und sendet es an das Versorgungsamt. Danach prüft dieses das Vorliegen einer Behinderung, den Grad der Behinderung und weitere gesundheitliche Merkmale. In der Regel findet keine persönliche Begutachtung statt, deswegen sind aussagekräftige Befundberichte sehr wichtig. Der GdB ist nicht abhängig von der Schwere der Diagnose, einem Pflegegrad oder Auswirkungen im Beruf!
Muskelschwächen mit geringen Auswirkungen werden mit einem GdB von 20-40, mit mittelgradigen Auswirkungen mit einem GdB von 50-80 und mit schweren Auswirkungen mit einem GdB von 90-100 bewertet. Funktionsstörungen der Organe sind zusätzlich zu berücksichtigen!
Der GdB und Merkzeichen (wie z.B. „B“ oder „G“) sind verbunden mit einem Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleiche. Diese sind z.B. steuerliche Freibeträge, Kündigungsschutz, 5 Tage Zusatzurlaub, behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes, Parkerleichterung etc.
Das Versorgungsamt erstellt nach der Prüfung einen Feststellungsbescheid und sendet ab einem GdB von 50 den Behindertenausweis zu. Sollte man mit dem Bescheid nicht einverstanden sein, kann man innerhalb von vier Wochen Widerspruch einlegen, einen Antrag auf Erhöhung stellen und letztendlich vor dem Sozialgericht Klage einreichen. Wichtig dabei ist zu wissen, dass im Falle eines Bewilligungsbescheids die steuerlichen Vorteile rückwirkend berechnet werden.
Auf einem Behindertenparkplatz darf man nur mit dem Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) oder BL (blind) und nur mit gültigem BLAUEN Parkausweis parken.
Eine Parkerleichterung ermöglicht der orange-farbende Ausweis, der unter folgenden Voraussetzungen erteilt wird:
- Merkzeichen „G“ und Merkzeichen „B“ und ein GdB von wenigstens 80 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen oder der Lenden-Wirbelsäule
- Merkzeichen „G“ und „B“ und ein GdB von wenigstens 70 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen oder der Lendenwirbelsäule, wenn gleichzeitig ein GdB von wenigstens 50 für Funktionsstörungen des Herzens und der Atmungsorgane vorliegt.
- Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, wenn hierfür ein GdB von wenigstens 60 vorliegt.
- Künstlicher Darmausgang und zugleich künstliche Harnableitung, wenn hierfür ein GdB von wenigstens 70 vorliegt.
Ob man seinen Arbeitgeber über seine Behinderung informiert, bleibt jedem Betroffenen selbst überlassen. Es kann allerdings von Vorteil sein, da Arbeitgeber einen Zuschuss erhalten, wenn sie einen Behinderten in ihrer Firma/ihrem Betrieb einstellen.
Als nächstes sprach Frau Hylla über das Thema „Medizinische Rehabilitation“
Ziel einer Rehabilitationsbehandlung ist es, Behinderung infolge chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen und eine Verschlimmerung zu vermeiden. Dies gilt insbesondere, wenn die Behinderung zu Minderung von Lebensqualität, Einschränkung der Erwerbsfähigkeit und zu Pflegebedürftigkeit führen kann oder bereits geführt hat. Im Vordergrund steht die Ermöglichung, bzw. Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben bzw. am Leben in der Gemeinschaft.
Kostenträger sind entweder die Deutsche Rentenversicherung oder die Gesetzlichen Krankenkassen. Bei privaten Krankenkassen gibt es je nach Vertrag individuelle Regelungen.
Voraussetzungen für eine Rehabilitation sind:
- Rehabilitationsfähigkeit (Körperlich, geistig und psychisch)
- Rehabilitationsbedürftigkeit (nicht nur vorübergehende Beeinträchtigungen, Beeinträchtigung der Teilhabe, ambulante Maßnahmen reichen nicht aus)
- Rehabilitationsziele (medizinisch begründet, individuell, konkret und überprüfbar)
Eine Ablehnung erfolgt häufig, wenn im Befundbericht unvollständig und zu allgemein formuliert wurde!
Es ist besonders darauf hinzuweisen, dass ein Reha-Antrag sich automatisch in einen Rentenantrag umwandelt, wenn man als nicht erwerbsfähig entlassen wird. Die Reha sollte in einer Reha-Klinik stattfinden, die sich mit neuromuskulären Erkrankungen auskennt. Sollte man in einer fachlich falschen Klinik untergebracht werden, kann ein Antrag auf Umstellung gestellt werden.
Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit ging Frau Hylla auf das Thema „Rente“ kurz auf folgende Punkte ein. Altersrente für behinderte Menschen ist zwischen 63 und 65 Jahren abschlagsfrei. Eine vorgezogene Altersrente von 60 bis 62 Jahren kann man mit einem Abschlag von 10,8% beantragen. Die Voraussetzungen hierfür sind, dass eine Wartezeit von 35 Jahren, ein GdB von mindestens 50 vorliegt und die Altersgrenze für den Jahrgang muss erreicht sein.
Erwerbsminderungsrente für Behinderte umfasst folgende Punkte: Vor 1961 Geborene erhalten Erwerbsminderungsrente, wenn sie im erlernten oder einem gleichwertigen Beruf nicht mehr arbeiten können. Nach 1961 Geborene erhalten volle Erwerbsminderungsrente, wenn sie in keinem Beruf mehr als 3 Stunden täglich arbeiten können. Die volle Erwerbsminderungsrente beträgt i. d. Regel weniger als ein Drittel des letzten Bruttogehalts. Wer 3 bis 6 Stunden arbeiten kann, erhält halbe Erwerbsminderungsrente, unabhängig davon, was er ausgeübt oder gelernt hat. Voraussetzungen: 5 Beitragsjahre, davon mind. 3 in den letzten 5 Jahren.
Bericht: Silke Schlüter